Strand, Strandstrassen und Stranden – die Atlantikküste der Iberischen Halbinsel

Meer in Sicht

«Oh», «Ah» und «Boah» ertönt es im Manny, wenn irgendwo das Meer auftaucht und der Blinker muss sofort in diese Richtung gesetzt werden. So kurven wir an der zottigen Küste von Galicien entlang. Den Diesel, welchen wir in Andorra mit der Absicht, dass er bis nach Marokko reichen wird, getankt haben, verbrauchen wir jetzt doch lieber in Nordspanien.

Wir geniessen jeden Extrakilometer, kommen in tolle Buchten, vorbei an kleinen Fischerdörfchen, Leuchttürmen und Windrädern, zahlreichen Eukalyptus- und Farnwäldern sowie grün bewachsene Hügel, die im Meer enden. Ja, die Nächte sind kalt, aber die traumhaften Tage machen alles wett.

Entlang von Strandstrassen quer durch Galicien

In Galicien, dem äussersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel, ticken die Uhren anders. Die Sonne geht im Moment so um 8.30 Uhr auf, die Läden öffnen um 9.30 Uhr und machen ab 14.00 Uhr eine ausgedehnte Siesta. Also ein gemütlicher Start in den Tag. Dieser Lebensrhythmus passt im Moment ganz gut zu uns.

An den Strassen und in den Gärten stehen steinerne Kornspeicher und zwischendurch erklingen in den Gassen keltische Klänge eines Dudelsacks. Vor langer Zeit liessen sich hier die Kelten nieder und haben ihre Spuren hinterlassen.

Aber auch die Römer bewohnten später diese Gegend und erstellten meisterhafte Bauwerke. In guter Erinnerung ist uns der Spaziergang auf der Stadtmauer in Lugo. Die Mauer ist mit 85 halbrunden Türmen verstärkt, sieht massiv und sicher aus. Trotzdem konnte sich Lugo nie verteidigen und wurde mehrmals eingenommen.

Ein anderes römisches Bauwerk ist der Herkulesturm in A Coruña, der bis heute jede Nacht sein Leuchtsignal abgibt und den Seefahrern als Leuchtturm den Weg weist. Der Herkulesturm ist aber nur einer von vielen Leuchttürmen entlang der Küste, denn der zerfurchte, grüne Landstrich ist vom Atlantik umspült und die Wellen peitschen unaufhaltsam und kraftvoll gegen die Steilküste.

Natur ohne Touristen

Vielerorts ist das Meer weit in die trichterförmigen Flussmündungen vorgedrungen und bildet breite Deltas. Alle paar Kilometer können wir Strandluft schnuppern, über S(tr)anddünen spazieren oder einsame Klippen geniessen. Jeder Küstenabschnitt zeigt seinen eigenen Charakter; schroff, herb, steinig, steil, geschwungen, sandig, üppig bewachsen, weich, romantisch… Es ist nicht schwer mit Manny ein schönes Plätzchen zu finden und die Natur einfach zu geniessen. Zwischendurch werden wir von einheimischen Fischern besucht, ansonsten sind wir meist alleine. Fürs Baden ist es uns hier aber zu kalt. Da bräuchten wir wohl, wie die Surfer, einen Neoprenanzug.

Richtung Portugal wird das Meer sanfter und zeigt eine geringere Tiefe. Ideal um Miesmuscheln an in den Buchten schwimmenden Holzflössen zu züchten.

Der Weg der Jakobsmuscheln

Seit den Pyrenäen treffen wir immer wieder auf die gelbe Muschel auf blauem Grund, die Jakobsmuschel. Sie ist das Symbol für den Jakobsweg, der seit Jahrhunderten von Pilgern und Abenteuern gelaufen, gefahren und geritten wird und in der Granitstadt Santiago de Compostela endet.

Wie für die Pilger, so ist auch für uns das erste Ziel in Santiago de Compostela die Kathedrale. Wir können sagen, dass wir den Jakobsweg beendet haben. Allerdings sind wir nicht hunderte oder gar tausende Kilometer gewandert, sondern haben nur die letzten zwei vom Campingplatz hierhin zu Fuss bewältigt. ?

Auf dem Platz vor der Kathedrale herrscht eine eindrückliche Stimmung: Euphorie und viel Positives. Wir versuchen das herzerwärmende Ambiente einzufangen, bevor wir strahlend die Stadt weiter erkunden.

Graue Wolken ziehen auf. Der Wetterbericht zeigt keine guten Prognosen. Tobi möchte in den Süden. Wir entscheiden uns zwei Fahrtage einzulegen und längs durch Portugal in die Algarve zu fahren.

Die Südküste von Portugal geniessen

Wir verlassen die Schnellstrasse und setzen den Blinker Richtung Küste. Im ersten Ort entdecken wir auf einem Parkplatz einen VW-Bus und dort beim Lidl stehen ein Reisefahrzeug sowie mehrere Wohnmobile. Seit 50 Tagen ist uns kaum ein Reisender begegnet. Selbst wenn wir mal einen Campingplatz angesteuert haben, waren wir die einzigen. Im ersten Moment sind wir erfreut, vielleicht Gleichgesinnte zu treffen. Doch als es im nächsten und übernächsten Dorf genau so weiter geht, schwindet die Freude ziemlich schnell. Dieser Wohnmobiltourismus scheint hier wohl allgegenwärtig zu sein. Hatten wir in Galicien die Strandstrassen, die Buchten und die Strände ganz für uns alleine, teilen wir sie hier mit vielen anderen.

Ein wohlbekannter Gedanke

«Nur noch schnell…», wie oft dieser Gedanke wohl täglich durch den Kopf blitzt und wie viele Male er wohl tatsächlich ausgesprochen wird? «Nur noch schnell das, nur noch schnell dies oder jenes.» Überlegen wir genau, hat dieser Ausdruck doch immer etwas mit Eile, vielleicht sogar Stress, zu tun, obwohl gerade in dem Moment «sich Zeit nehmen» besonders wichtig ist. Schliesslich hat die «nur noch schnell Tat» auch ihre Zeit verdient. Einfach ist es nicht.

Wie oft haben wir bei Manny nur noch schnell etwas anschrauben wollen und da passten die Schrauben nicht oder nur noch schnell den Teppich verlegen und dann sind wir zwei Tage später noch daran.

Grundsätzlich gelingt es uns schon ganz gut die «nur noch schnell» Gedanken zu ignorieren und Zeit zu haben. Trotzdem ertappen wir uns, wie wir nur noch schnell vor der Einreise nach Marokko die Spur einstellen möchten, damit Manny beim Fahren nicht mehr nach rechts zieht.

Vor der Werkstatt stranden

Irgendwo in der portugiesischen Pampa, zwischen der Schnellstrasse, Lagerhallen und Shoppingcentren liegt die Werkstatt Norauto. 30-45 Minuten soll es dauern, bis bei Manny die Spur eingestellt ist. Keine Hexerei, doch Manny bleibt auf der Hebebühne stehen und stehen. Mechaniker um Mechaniker versammeln sich unter Mannys Vorderachse. Die Menschentraube wird grösser und wieder kleiner. Ideen werden ausgebrütet. Stunden verstreichen und es wird dunkel. Der Spurstangenkopf ist mittlerweile kaputt. Eine Weiterfahrt deshalb zu gefährlich.

Die Mechaniker sind sehr freundlich und hilfsbereit. Wir können vor der Werkstatt stehen und da ein paar Nächte bleiben, das Ersatzteil ist auf dem Weg. Doch leider passt es nicht und wir müssen weiter auf die Suche. Die Warterei erinnert uns an die Mongolei…

Aus dem nur noch schnell die Spur einstellen, sind schlussendlich dreizehn Nächte Stranden vor der Werkstatt geworden.

Marokko – wir kommen!

Unsere Reiseroutine ist bereits etwas angestaubt und die Wohnraumbatterie hat es bitter nötig durchs Fahren wieder richtig aufgeladen zu werden. Im Winter bringt das Solarpanel in den paar täglichen Sonnenstunden einfach nicht genug. So tuckern wir langsam an der Südküste Portugals weiter bis nach Spanien. Geniessen ausgedehnte Strandspaziergänge, herrliche Sonnenuntergänge und erfreuen uns, als wir das erste Mal Afrika am Horizont hinter dem Meer erblicken.

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2 Comments
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Ursula Theiler
Ursula Theiler
24. Dezember 2018 22:49

Euren Bericht heute am Weihnachtsabend voll Freude gelesen!
Santjago natürlich super… herrliche Erinnerungen ausgelöst, im Herbst 2003 sind wir angekommen( nach 1903 gewanderten km!!)
Geniesse all Eure Fotos und hoffe, Ihr habt die Grenze nach Marokko
inzwischen überqueren können! Von Herzen frohe Weihnachtstage
und einen guten Rutsch ins Neue Jahr, mögen all Eure Pläne wahr werden und Ihr eine fantastische Zeit in Afrika !! erleben. Beste
Gesundheit als Basis für Euch… all unsere besten Wünsche… und schon jetzt freu ich mich auf den nächsten Bericht!
1000 liebe Grüsse vom Islisberg, Ursy und Christoph