Die Westsahara – irgendetwas knirscht zwischen den Zähnen

Ein Abstecher in die Westsahara

Lange haben wir überlegt, ob wir in die Westsahara fahren möchten. Die Meinungen über einen Besuch dieses Territoriums, welches Marokko für sich beansprucht, gehen ziemlich auseinander. Schlussendlich entscheiden wir uns für ein «kleine» Runde. Wir wollen nicht die endlosen Kilometer bis Dakhla abfahren und uns da neben die französischen Wohnmobile an die Küste stellen, sondern die von anderen beschriebene öde, einseitige oder gar langweilige Wüste östlich der Strandstrasse entdecken. Neugierig brechen wir auf und sind gespannt welche Adjektive wohl uns für diese Gegend in Erinnerung bleiben werden.

Entlang des Atlantiks

Tatsächlich ist die Strecke entlang der Küste von einer gewissen Monotonie geprägt. Dünen und Steinwüste reichen ans Meer und tosende Wellen prasseln an die steilen Klippen. Der Wind weht ordentlich und im Minutentakt ändert sich das Licht. So verschwindet die Umgebung mal im Nebel, erscheint unter strahlend blauem Himmel, einzelne Flecken werden von der Sonne grell angestrahlt, sodass die Farben kräftig leuchten, oder alles von den grauen Wolken eingehüllt, wodurch die matten Farben die Landschaft trist ausschauen lässt. Klingt doch irgendwie spannend, oder?

Über den Klippenrand schauen

Prächtig schaut die Naïlalagune im Khenifiss Nationalpark aus. Es ist eine moorähnliche Landschaft mit Sanddünen bis ans Meer. Ein Paradies für Flamingos und andere Seevögel.

Der Ausblick über die Lagune und das umliegende Schwemmland ist toll und der kräftige Wind bringt Abwechslung mit. Er zerrt an Kleidung, zerzaust die Haare und macht das Leben draussen etwas anstrengend. Nur nichts kurz hinstellen oder aus der Hand geben, sonst ist es weg. Mund besser zulassen, damit die Zähne nicht sandgestrahlt werden und um die Zahnpastaspucke auszuspucken mindesten einen Meter vom Ziel entfernt stehen, dann trifft man es vielleicht. Daran, dass Manny im Wind mitschaukelt und es durch irgendwelche Ritzen pfeift, haben wir uns fast gewöhnt.

Auf den Entdeckungstouren blicken wir aber auch am Klippenrand hinab und stellen mit Schrecken einmal mehr fest, wie viel Abfall herumliegt. Mitten im Nationalpark wird der Müll einfach über die Klippen in das tolle Biotop gekippt. Um hier alles aufzusammeln und wegzuschaffen, wären mehrere Lastwagen nötig. Plastikflaschen, Dosen, Kanister, alte Netze, Bierflaschen, Plastiksäcke, Kleidung, Batterien, Glasscherben, Kadaver, Windeln und vieles mehr liegt da.

So ist der Mensch doch grausam gegen die Natur und schaut er einfach oben über den Klippenrand zum Horizont, sieht es aus wie ein Paradies.

Ein Wasserfall in der Wüste

Mitten in der Sahara hat sich eine Schlucht gebildet und einen Wasserfall soll in die Tiefe plätschern. Mit einem Ehepaar aus Deutschland, die ihren Urlaub mit ihrem Reise-Lastwagen in Marokko und der Westsahara verbringen, brechen wir gemeinsam dahin auf.

Über wenig befahrene Pisten geht es durch unbewohntes Gebiet bis zu der beeindruckenden Schlucht Khaoui Naam.

In den flachen Pfannen oberhalb sammelt sich das Wasser und ein Rinnsal tröpfelt in die Tiefe. Imposant. Ergreifend.

Obwohl hier Wasser fliesst, sehen wir weit und breit keine Tiere und auch Nomaden haben sich hier nicht angesiedelt. Die Farbe, der Schaum und die Ablagerungen im und ums Wasser lassen uns vermuten, dass davon niemand leben kann.

Wir sind kilometerweit weg von der Küste und der Wind zerrt weiter. Gemütlich in unseren Stühlen draussen sitzen, den Sonnenuntergang geniessen und den Tag langsam ausklingen lassen, klappt nicht. Dafür werden wir drei Abende ins gemütliche Wohnzimmer des Reise-Lastwagens eingeladen und plaudern, diskutieren und philosophieren bis spät in die Nacht.

Umherziehen in «Afrikas letzter Kolonie»

Grösstenteils trocken, sandig und dünn bewachsen ist der nördliche Teil der Westsahara. Bis anhin sind wir in solch kargen Gebieten stets Hirten mit Ziegen- und Schafherden, Dromedaren und Eseln begegnet. Doch hier scheint es, als seien wir die einzigen Nomaden. Ab und zu begegnen wir Militärkarawanen, Stützpunkten oder Wachposten.

Seit Jahrzehnten leben viele Sahraouis in Flüchtlingslagern in Algerien. Die alte Heimat der Menschen der Wüste wurde nämlich grösstenteils von Marokko annektiert. Ein vergessener Konflikt hat Familien auseinandergerissen und hält sie in der Ödnis gefangen. Sie sind im Wüstensand gestrandet und auf internationale Hilfe angewiesen. Einen unendlich langen Sandwall durch die Westsahara, versehrt mit zahlreichen Minen, trennt das von Marokko besetzte Gebiet von den Polisario, den sahraouischen Befreiungskämpfern, die damals in diesem Gebiet die unabhängige Demokratische Arabische Republik Sahara ausgerufen hat.

Marokko investiert kräftig in diese südliche Region. Orte aus Beton sind entstanden und tausende Menschen aus allen Landesteilen sind dahin umgesiedelt. Durch die gute Nord-Südstrasse wird die Versorgung mit Wasser, Lebensmittel und Treibstoff sichergestellt. Phosphat, Erdöl, Windparks und die Fischerei sind die grossen Schätze des Gebietes. Die Saharouis warten nun seit bald 30 Jahren auf ein von der UN versprochenes Referendum über die Integration oder Unabhängigkeit. Doch eine Abstimmung hat bis heute nicht stattgefunden. Erschreckend. Traurig.

Förderband durch die Wüste

Der Phosphat-Abbau in der besetzten Westsahara bringt Marokko einen wirtschaftlichen Vorteil. Ein über 100 km langes (!), gedecktes Förderband aus der Wüste transportiert das abgebaute Phosphat an die kleine vorgelagerte Hafenstadt von Laâyoune.

Die Küste dieses Industriezentrums wird von einer Mauer abgeschirmt, so dass wir das Ende des Förderbands im Hafen nicht zu Gesicht bekommen. Dort wird das Phosphat jedoch auf Frachtschiffe geladen und in die ganze Welt transportiert. Verarbeitet wird es da vor allem zu Dünger. Entlang der gigantischen Mauer und Zementfabriken gibt es für uns nichts Spannendes zu sehen und die in den 70er Jahren entstandene Hauptstadt Laâyoune aus grauen Gebäuden interessiert uns wenig. Also biegen wir rechts ab und fahren entlang der Atlantikküste nordwärts. Starker Wind kommt auf. Böen schütteln uns durch und Sandverwehungen auf der Strasse sind ständige Begleiter.

Ordentlich weht der Wind

Was uns hier ins Gesicht weht, bezeichnen wir nicht mehr als leichte Brise. Seit Tagen haben wir das Hubdach nicht mehr geöffnet und bauen abends Manny so um, dass wir auf unserer zweiten Schlafmöglichkeit im Innern schlafen können. Zugegeben, der Wind ist anstrengend, manchmal nervenaufreibend und laut. Wir sehnen uns mal wieder nach Ruhe. Mal schauen, wo wir die finden werden.

In Schlangenlinien weichen wir auf der Strasse den wandernden Dünen aus. Manchmal erinnert uns das Ganze an einen winterlichen Schneesturm. Anstelle von tanzenden weissen Flocken, wirbelt es goldigen Sand durch die Luft.

Wir erleben die See stürmisch, mit hohem Wellengang. Dies wurde vor Jahren auch der Fähre Assalama zum Verhängnis. Damals war dies eine direkte Verbindung von Tarfaya zu den kanarischen Inseln. Heute liegt das Wrack gestrandet, nur wenige Meter von der Küste Tarfayas entfernt, im Atlantik und der Fährbetrieb ist eingestellt.

Juwelen vorislamischer Zeit

Bemerkenswert. Mystisch. Über die gesamte Sahara verteilt, sind Monumente mit einem zentrierten Kreis und zwei bogenförmige Armen, welche einer Mondsichel ähneln, gefunden worden. Man nennt sie Antennengräber.

Entlang eines trockenen Flussbetts treffen wir auf Hügelplateaus auf diverse solche Gräber. Am besten sieht man sie aus der Luft, denn die Antennen können eine Spannweite von bis zu 600 Metern haben. Wir sind fasziniert und versuchen mehr über diese Gräber zu erfahren. Sind es Werke von unterschiedlichen Völker und Kulturen? Wie haben die sich über eine so grosse Landfläche verbreitet? Aber irgendwie finden wir kaum Informationen zu diesem Thema. So bleibt für uns die präzise Anordnung der Steine und deren Geschichte ein Geheimnis.

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4 Comments
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Heike
12. April 2019 14:12

Hallo ihr beiden!
Oh ja es war windig 🙂 Das Foerderband habe ich leider verpasst…..
LG nach Kanada! Heike

Matías
Matías
18. März 2019 8:29

Liebe Fränzi, lieber Tobi
Herzlichen Dank für Eure schönen Bilder und lebendigen Texte – man spürt es beinahe selber, das Knirschen des Sandes zwischen den Zähnen… Nein, es ist nicht ein Knirschen mit den Zähnen vor Neid über Euer Abenteuer – aber die Sehnsucht und das Fernweh nährt Ihr definitiv: Ich bin gerade eine Markise für unsere Jacky am organisieren (Howling Moon ist leider z.Z. in der 4.2m-Variante nicht lieferbar :o) ).
Euch wünsch ich weiterhin gute Fahrt und Manny viel Spass mit den Dünen! Ist das neue Fernziel schon nördlich, d.h. wieder Europa? Hier wird es nun langsam frühlingshaft und erste Blumen blühen! Freu mich, weiter von Euch zu hören und grüsse herzlich, Matias