Stadt, Land, Fluss – rund um Fès und über den Mittleren Atlas

A wie Abwechslung

Stadt, Land, Fluss, ja so einseitig ist es nicht. Die Gegend bietet viel mehr. Im Osten liegt die trockene, karge, staubige Hochebene und wir schlängeln uns gerade ganz gemächlich durch die Hügel, entlang den nördlichen Ausläufern des Mittleren Atlas und den südlichen Enden des Rif-Gebirgszugs.

Wir geniessen die weite Sicht über Dörfer, Städte, Täler, frisch gepflügte und bewirtschaftete Felder, bis hin zu den ersten Schneebergen am Horizont. Zahlreiche trockene Flussbetten durchqueren wir, Flüsse mit Wasser sind eher selten. Dafür hat sich unseren Reisefluss ganz gut eingestellt und der Alltag fliesst einfach so dahin.

O wie Olivenernte

In der Ebene ist die Olivenernte in vollem Gange. Fünf bis sechs Olivenpflücker ernten die Oliven von Hand, sortieren sie auf einer unter dem Baum liegenden Plane und füllen sie in grosse Säcke.

Diese werden mit dem Esel oder Karren zur nächsten Ölpresse gebracht. Vor den Ölpressen stapeln sich die triefenden Säcke. Nicht selten läuft ein tiefschwarzer Olivensaftbach durch die Gassen oder über die Strassen. Die Früchte gehen durch die Pressen und gelbliches, frisches Öl kommt zurück zum Besitzer.

R wie Römer

Wieder einmal sind die Römer los.

Eine der südwestlichsten Siedlungen im Römischen Reich war Volubilis. Kleine und grössere Überreste von den einst herrschaftlichen Häuser, Thermen mit unterirdischer Wasserversorgung und Fussbodenheizung oder Ölmühlen können gedanklich zwischen den Steinen, Säulen und Mauern erahnt werden.

Die Fussböden sind mit vielen kleinen, bunten Steinchen zugepflastert. Allerhand mythologisches wird in diesen Mosaiken erzählt.
Wir sind bei unserem historischen Rundgang einmal mehr beeindruckt, welche Baumeister und Künstler die Römer zu ihrer Zeit waren.

K wie Königsstadt Fès

Vom Land machen wir einen Abstecher in die Millionenstadt Fès. Die älteste der vier Königsstädte Marokkos ist heute die drittgrösste Stadt des Landes.

Auf dem Campingplatz lernen wir eine Schweizer Offroadtruppe kennen und wir können uns bei ihrer Stadtführung anhängen.

Nordim, unser Guide, taucht mit uns einen Tag in die orientalisch-arabische Stadt ein und ermöglicht uns einzigartige Einblicke in Innenhöfe, enge Gassen, Produktionsstädten und vielem mehr. Umsehen, Staunen, Wahrnehmen – die Eindrücke prasseln auf uns ein wie die Hektik in den engen Gassen der Altstadt. Ein intensiver Tag, der viel zum Nachdenken und Verdauen gibt.

Aber jetzt mal der Reihe nach…

M wie Medina Fès El-Bali

Durch einen schmalen, engen Gang, fast schon wie ein Riss in der Wand gelangen wir in die Altstadt oder wie das Viertel hier genannt wird, in die Medina Fès El-Bali.

Ein intensiver Geruch haftet sich in unseren Nasen fest. Gemüse-, Oliven-, Datteln- und Früchteverkäufer preisen ihre Ware an.

Der Duft von lebenden und toten Tieren wird plötzlich intensiver. Wir erreichen den Metzger und die Fischverkäufer. Abgetrennte Dromedarköpfe und an Hacken hängende Fleischstücke warten auf ihre Käufer. Eine Frau kauft gerade einen Plastiksack voll Sardinen. Herzhaft greift sie in den Fischhaufen und füllt ihre Tasche auf.

Wer lieber Poulet möchte, sucht sich ein hübsches Huhn im Regal aus und lässt es sich direkt an der Theke schlachten.

Esel und Handkarren drängen sich durch die engen Gassen. Sie sind mit Holz, Mandarinen, Zwiebeln, Teppichen, Brot oder weiterem schwer bepackt, meist überladen, und quetschen sich an den umherwuselnden Menschen vorbei.

Wir fliessen mit dem Menschenstrom durch die Gassen, biegen ab und zu in Querstrassen oder schmale, dunkle Seitengässlein ab. Die 9’000 Gassen in dieser Medina sind ein Labyrinth. Uns allein da zurecht zu finden, tja, da müssten wir wohl noch einige Wochen durch diese Gassen streifen.

H wie Handwerksbetriebe

In der Medina gruppieren sich die Gewerbe nach ihrer Art. Schmied, Schreiner, Töpfer, Färber, Schneider und Sattler verrichten ihre Arbeit und wir dürfen ihnen über die Schulter schauen. Die Arbeitsbedingungen und die Art der Arbeit erstaunen uns. Knochenarbeit, die bei uns wohl kaum jemand unter diesen Bedingungen verrichten würde.

Auf eine ganz besondere Art springen uns da die grossen Ledergerbereien ins Auge. Was sollen wir davon halten? Knietief stehen die Männer in Bottichen mit Kalk und Taubenkot, wo die Häute gegerbt werden, oder in solchen mit Farbe um die Tierhaut von Ziege bis Kamel zu stampfen und färben, bis dann später das Leder weiterverarbeitet werden kann. In den Verkaufsläden schauen wir uns die qualitativ höchststehenden Taschen, Jacken und Schuhen an.

Auch beim Bäcker geht es anders zu und her als bei uns. Die Frauen bringen ihren Brotteig und lassen das Brot im Ofen des Bäckers backen. Die Laibe stapeln sich in den Regalen, bevor sie von den Frauen wieder abgeholt werden.

Hier zu leben ist eine andere Welt, ein anderer Duft liegt in der Nase und es begleiten uns so viele Eindrücke, die wir erst irgendwo einordnen müssen. Momente und Erfahrungen, die wir wohl nie vergessen werden.

J wie Judenviertel (Mellah)

Fès besteht aber auch aus einem weiteren Stadtteil – der mittelalterlichen Neustadt. Im Zentrum steht da der Königspalast mit seinen sieben goldenen Toren und das ehemalige Judenviertel, Mellah genannt.

Juden aus Andalusien mussten im 14. Jahrhundert fliehen und siedelten sich in muslimischen Regionen an, unter anderem auch in Fès. Die alten Häuser mit ihren Holzbalkons sind noch gut erkennbar. Viele Juden haben nach der Gründung Israels Fès verlassen. Laut Nordim leben heute praktisch keine Juden mehr in Fès.

M wie Mittlerer Atlas

Es geht zurück aufs Land. Genau genommen in die Bergregionen des Mittleren Atlas. Langsam steigen die Höhenmeter an. Trotz des Winters sind alle Schneebarrieren offen und unsere ausgewählten Wege befahrbar.

Ifrane, die «marokkanische Schweiz», wie die Ortschaft auch genannt wird, zeigt keine schneereiche Landschaft. Erst als wir über 2’000 müM auf dem vulkanischen Plateau sind, entdecken wir kleine Schneefelder. Diese sind Überreste von Schneefällen im Oktober, seither gab es keinen Niederschlag mehr.

Auch wenn die Umgebung um den Bergsee Aguelmame Sidi Ali zum Verweilen und Übernachten lockt, zieht es uns wieder in tiefere, wärmere Gebiete. Denn selbst im Flachland braucht es morgens Zeit bis die Sonne Glieder und Herz aufwärmt.

B wie Berberaffen

Achtung Affe! Wir fahren durch den Wald und werden von einem Strassenschild auf diese Bewohner aufmerksam gemacht. Bislang hiess es immer Achtung Schaf, Kuh oder Dromedar. Da sind die Affen eine ganz besondere Abwechslung.

Bei einem Spaziergang durch den Zedernwald sind wir dann auch einigen Berberaffen begegnet. Die haben sich schon ganz gut an die Menschen gewöhnt und betteln um Essen. Einst waren die Berberaffen rund um das Mittelmeer heimisch. Doch ihre Population ist auf ein paar 1’000 Tiere geschrumpft.

Verwöhnt stopfen sich die Affen vor uns einen Happen altes Brot in den Mund, klettern die Bäume hoch, schwingen sich von Ast zu Ast und rennen umher. Einige kommen uns ganz schön nahe und nachdem sie all unser Brot aufgefuttert haben, ist das gar nicht mehr so angenehm.

S wie Spielen

«Stadt, Land, Fluss» und unsere Spielkiste bleiben im Kasten versorgt. Das einsame Reisen rückt immer mehr in den Hintergrund und wir treffen vermehrt Leute, die ebenfalls unterwegs sind.

Noch bleibt es aber bei kürzeren Begegnungen, wie gemeinsam ein Loch im Reifen flicken, am Lagerfeuer sitzen und Geschichten erzählen oder am Strassenrand Erfahrungen austauschen.

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Matías
Matías
3. Februar 2019 22:52

Liebe Fränzi, lieber Tobi
War schön, Eure neuen Berichte zu lesen und die prächtigen Bilder zu bestaunen! Hoffe, Euch geht es gut und Ihr geniesst Eure wunderbare Reise in vollen Zügen.
Das Semester ist vorbei und beim Geniessen Eurer Berichte wächst die Vorfreude auf unsere geplante Reise nach Schottland im Sommer… Die Fähre ist schon gebucht!
Herzliche Grüsse aus der verschneiten Schweiz in den Süden
Matías